Reto Schärer ist seit 20 Jahren Kranführer. Ein Gespräch über einen Arbeitsplatz mit Aussicht, Berufsehre und die Effizienz von seinem Fahrstil.
Ich bewege alles, was die anderen zum Arbeiten brauchen – Beton, Eisen, Schaltafeln, Geräte … Ich bin der Logistiker der Baustelle. Wenn ich am Morgen nicht pünktlich da bin, wird der Polier nervös.
Ich komme um Viertel nach sechs auf der Baustelle an, ziehe mich um, hole mir einen Kaffee. Um halb sieben mache ich mich auf den Fussweg nach oben – 204 Sprossen bis auf 65 Meter Höhe. Dann beginnt mein Arbeitstag. Als Erstes wird der Wagen für Werkzeuge oder Material an den Kettenzug angehängt. Danach sagen sie mir von unten über Funk oder mit Handzeichen, was sie von mir wollen.
Mit der linken Hand bediene ich einen Joystick, der steuert: Wagen vor- oder Wagen zurückfahren. Rechts bewege ich den Joystick, mit dem ich den Wagen hochziehen und wieder runterlassen kann. Ich habe ein Fusspedal für Funk, ein Fusspedal für die Kamera. Dazu ein Display, das mir anzeigt, wie weit draussen auf dem Ausleger die Ware hängt und wie schwer die Last ist. Ich bediene alles parallel: Ich schwenke, hebe oder senke die Last und bewege sie am Ausleger vor und zurück. Derart dreidimensional fahren ist effizienter. Ich weiss, dass ich stark bin in dem, was ich mache. Das können nicht alle.
Ehrlich gesagt?
Zufall. Ich kam vor über 20 Jahren auf eine Baustelle, wo gerade ein Kranführer gebraucht wurde. Das war nach der Rekrutenschule, damals war ich 25 Jahre alt. Ich bin gelernter Antikmöbelschreiner. Die meisten Schreinereien sind Zwei- oder Drei-Mann-Betriebe. Mein Chef hat mir sofort gesagt, dass ich nach der RS wahrscheinlich nicht mehr zu ihm zurückkommen kann, da er Ersatz einstellen wird. So war es dann auch. Ich wollte nicht lange suchen, sondern Geld verdienen. Zuerst habe ich den Kran per Funk von unten gesteuert. Seit zehn Jahren arbeite ich von oben. Und seit meiner Rückenoperation fahre ich nur noch Kran.
Das ist richtig. Wenn einen die Firma fördert, kann man nach der Lehre eine Fortbildung zum Kranführer absolvieren. Wichtig sind Poliere, die einen nicht gleich fortschicken, wenn man am Anfang nicht die volle Geschwindigkeit abrufen kann. Der Zeitdruck, die optimierten Baupro-gramme können anstrengend sein. Es gibt selten Leerzeiten, in denen nichts passiert. Das muss man wegstecken können. Und wenn man sauer ist auf einen oder auf alle, kann man das laut sagen. Das ist normal auf dem Bau.
Mir gefällt das Miteinander. Es geht ohne mich nicht, und es geht ohne die anderen nicht. Ich bin alleine in meinem Kabäuschen und durch den Funk bei meinen Kollegen.
Zur Mittagspause steige ich runter und esse mit meinen Kollegen. Wenn ich mir nur etwas die Beine vertreten möchte, gehe ich auf dem hinteren Teil vom Ausleger spazieren. Für Leute mit Höhenangst ist das natürlich nichts.
Wenn ich am Morgen oben ankomme, habe ich erst mal eine tolle Aussicht auf Eiger, Mönch, Jungfrau! Danach schaue ich auf das, was ich in der ersten Bauetappe zwischen 2013 und 2019 geschafft habe. Damals standen zehn Kräne, nicht nur zwei. Es macht mich stolz, wieder hier zu sein und von Anfang bis zum Schluss mitzuwirken. Meine Arbeit kann nicht einfach so jeder übernehmen. Man braucht Erfahrung und Können. Die Wertschätzung ist gross. Ich bin hier jemand.